Mediation ist ein Erfolgsmodell. Längst beschränkt sich sie nicht auf die zivilrechtliche Familienmediation oder die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Ihr Anspruch ist es, sich auch im öffentlichen Recht als Konfliktlösungsmechanismus zu etablieren. Im Umweltrecht, auch im Beamtenrecht, Schulrecht und Sozialrecht hat sie sich bereits einen festen Platz unter den Instrumenten der Streitbeilegung erobert. Ihr Siegeszug gibt vielen Juristen Rätsel auf – Rätsel, die zum Teil auf fachlichen Sichtblenden und einem Missverständnis des Wesens von Mediation beruhen. Die Mediation will keine „bessere Justitia“ sein, sondern ein aliud. Sie fahndet nicht primär nach Rechtspositionen, sondern nach den Interessen der Parteien. Sie macht sich die Erkenntnis zunutze, dass auch Personen, die völlig unterschiedliche Positionen haben, gemeinsame Interessen haben können. Interessen lassen sich eher in Einklang bringen als starre Positionen. Dadurch lässt sich brachliegendes Kooperationspotenzial von Konflikten zum beiderseitigen Nutzen ausschöpfen. Mediation ermöglicht den Konfliktparteien, das hinter destruktiven Verhaltensmustern verborgene produktive und konstruktive Potenzial von Konflikten für sich zu erkennen und fruchtbar zu machen. In privatrechtlichen Rechtsverhältnissen lässt sich diese Idee zu idealer Entfaltung bringen: Das Privatrecht lebt von der Freiheit privatautonomer Gestaltung von Interessen. Das öffentliche Recht ist jedoch von dem Gedanken der Gemeinwohlorientierung und der Befriedigung eines Allgemeininteresses verpflichtet, das mehr ist als nur die Summierung subjektiver Interessen. Das löst Reibungskonflikte zwischen der Gemeinwohlidee und der Mediation aus: Es treffen ein etatistisches Gemeinwohl- und ein ökonomisches Wohlfahrtskonzept aufeinander. Gemeinwohl und Mediation sind zugleich keine unversöhnlichen Antagonisten. Die Mediation begreift sich als Instrument akzeptanzfördernder Gemeinwohlsuche. In ihrer die Wissensbasis und Transparenz der Entscheidungsfindung stärkenden, rationalisierenden Wirkung stellt sie sich als Erscheinungsform der Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung dar. Sie zielt auf eine umfassende Konfliktbewältigung namentlich dort, wo traditionelle Verwaltungsverfahren angesichts hoher Komplexität und großen Konfliktpotenzials an die Grenze der Überforderung geraten. Ihrer Regelungsstruktur sind desungeachtet Gemeinwohlgefahren strukturell eigen, insbesondere unter vier Gesichtspunkten 1. Risiken der Interessenselektivität, 2. Externalisierung von Kosten und Risiken auf die Allgemeinheit, 3. verhandlungspsychologische Annäherungs- und Scheuklappeneffekte und 4. gestörte Verhandlungsparität. Das Gemeinwohl muss in der parlamentarischen Demokratie geschöpft werden von denjenigen Instanzen, denen die Gemeinwohlkonkretisierung anvertraut ist, d.h. der insoweit auf den Posten gestellten letztverantwortlichen Behörde. Wiewohl der Prozess der Gemeinwohlfindung in dem kooperativen Staat nicht bei staatlich legitimierten staatlichen Organen monopolisiert ist, so doch die Gemeinwohlentscheidung. Die Letztverantwortung und die rechtlichen Schranken einer faktischen Vorabbindung von Mediationsergebnissen bilden die rechtsstaatlichen Sicherungsinstrumente gegen eine Unterwanderung demokratischer Gemeinwohlsicherung. Für eine aktive, gemeinwohlsichernde Rolle des Mediators ist in diesem System kein Raum.