Philosophie ist eine Wissenschaft, die nach dem Grund der Seienden und auch nach dem dieses Grundes usw. fragt und damit sich zum Ende dieser Reihe der Gründe zu führen sucht. Dieses Ende ist ja der Gott der Philosophen, der den Menschen den Grund ihres Bestehens, das Ziel ihrer Bildung, den Maßstab der ihnen zugänglichen Wahrheiten bedeutet. Ohne es hätten wir keine andere Wahl, als dass wir einen “der unheimlichsten Gästen”, das Nichts und den Nihilismus, empfangen. Trotzdem sagt Nietzsche, Gott ist tot und das Ende endet. Ist dann der Besuch des Nihilismus und damit die Herrschaft des Nichts unvermeidlich? Die vorliegende Arbeit sucht aufzuzeigen, wie Nietzsche, der selbst “den Nihilismus zu Ende gelebt hat”, mit dem kommenden Nihilismus kämpfend den Sinn des menschlichen Lebens verteidigt hat. Dazu sind einiges unter Beweis zu stellen. Erstens, der Gott, von dem gesagt wird, dass er tot sei, ist nicht der Gott als das Ende des die Reihe der Gründe aufsteigenden Denkens, sondern der Gott als ein absoluter Anfang, von dem her alles, was existiert, entstanden wäre. Nietzsche warnt mit Ernst vor, diese beide miteinander zu verwechseln und das Verhältnis beider umzukehren. Der Gott, der tot ist, ist in erster Linie der Gott als Anfang. Zweitens, gegenüber dem Gott als einem Ende ist Nietzsche doch nicht minder kritisch. Aber diese Kritik schränkt sich auf den moralischen Gott ein, der den menschlichen Willen zum Leben ohnmächtig macht. Sogar sucht Nietzsche die Möglichkeit der neuen Göttern, die den Menschen und dessen Leben verstärken wollen. Drittens, der sog. tote Gott ist vorzüglich ‘der eine Gott’, von dem zu sagen ist, dass allein er sei. Nietzsche will an die Stelle dieses toten Gottes viele neue Götter treten lassen, die von endlichen Menschen gebildet werden. Und damit kann ‘der eine Gott’ nicht umhin zu sterben, zumal er derjenige ist, der nicht ‘einer unter vielen Göttern’ sein kann und will. Nietzsche ist ja ein Polytheist. Viertens, diese vielen neuen Götter, die jeder Mensch aus seinen eigenen Perspektive bildet, sind ja die menschlichen, die in der Sprache Nietzsches in dem Sinne ‘Übermensch’ zu nennen sind, dass er über Menschen ist. Der Übermensch ist ja “ein tanzender Stern”, der den Menschen die Richtung ihrer Bildung bestimmt und ihre Steigerung führt. Er ist das Ende der Reihe der sich immer aufsteigenden Menschen und der Gott von Nietzsche als von einem Polytheisten. Aber dieser Gott ist doch nicht ‘der eine Gott’, sondern ‘einer unter vielen neuen’. All diesen Diskussionen liegt ja gewiß ein erkenntnistheoretisch höchst interessanter Standpunkt, nämlich der perspektivistische zugrunde, dessen Pointe ist: Den endlichen menschlichen Seienden wird nie ‘Eines’, sondern nur ‘Vieles’ als Ergebnis ihrer Arbeit zuteil. So hat jeder Mensch ein Bedürfnis nach dem Ende der Reihe, die er aufsteigt, und erhöht sich in der Tat. Aber das Ende, zu dem er jedesmal gelangt, ist doch nicht ‘das eine Ende’, sondern nur ‘eines unter vielen’. Dies ist ja eine grundsätzliche Grenze des philosophierenden, d.h. weisheitsliebenden Menschen.